Szenische Klangkunst im Museum

Wiesbaden, Friedrich-Ebert-Allee, Modul 2 (Leitung: Prof. Dr. Frank Jebe, Hochschule Niederrhein), „Künstlerische Erprobung“. Erster Eindruck des Hessischen Landesmuseums für Kunst und Natur von außen – großes Format. Großartig auch. Drinnen hallt wegen der hohen Decken jedes Wort leicht nach. Wasser plätschert. Wo bin ich hier?

Im frühen 19. Jahrhundert als bürgerliche Sammlung mit Werken aus dem Privatbesitz von Johann Isaac Freiherr von Gerning begonnen, vereint das Museum Wiesbaden heute auf 7400 Quadratmetern zwei Abteilungen miteinander: Natur und Kunst. Weiträumige Durchblicke, großzügige Ausstellungsräume und strahlend weiße Wände, an und vor denen sich die Kunstwerke präsentieren.

Hessisches Landesmuseum fuer Kunst und Natur in Wiesbaden von aussen
Hessisches Landesmuseum für Kunst und Natur in Wiesbaden von aussen

Etwas Raum geben oder seinen Raum lassen gewinnt beim Flanieren durch diese Ausstellungen zumindest für mich eine ganz neue Bedeutung. Ich bin beeindruckt von diesem Ort, der unterschiedliche Felder so ansprechend unter einem Dach vereint.

An mehreren Ecken erwarten den (bzw. die) Besucher Erläuterungen zu den Räumlichkeiten und ihren Kunstwerken – auf hochwertigen Papierkarten im A5-Format, deren Motive für unsere besondere Besuchergruppe an Tag 1 (von 4) zur Kleingruppen-Findung verwendet werden. Gleiches Motiv = gleiche Gruppe.

Ohne zu wissen zu welchem Raum und welchem/welcher Künstler:in „mein“ Objekt gehört, empfinde ich die vier Kuben aus Glas und Metall als besonders ansprechend. Ausgeglichen. Ruhig. Was es mit Donald Judds Objekt-Kunst auf sich hat, erfahre ich auf der Rückseite der Karte und erlebe diese in den kommenden drei Tagen akustisch und performativ, denn ich darf in diesem Raum besonders viel Zeit verbringen, ihn mit meinen Mitspieler:innen entdecken und erobern.

Objekt-Kunst von Donald Judd
Objekt-Kunst von Donald Judd

Um künstlerische Erprobungen und Fremdheitserfahrungen geht es in Wiesbaden, weshalb ich vor Modul-Beginn eine Einwahl vornehmen musste. Literatur, Theater, Bildende Kunst oder Musik? Fremd ist mir nichts davon, gleichwohl bin ich im Theater und der Literatur mehr Zuhause als in der Bildenden Kunst oder Musik.

Mit meiner Zuordnung zur Musik-Gruppe bin ich anfangs gar nicht so froh, denke an den Musik-Unterricht in der Mittelstufe und peinliches Vorsingen mit Klavierbegleitung vor der ganzen Klasse, natürlich aber auch an mein klassisch geprägtes Elternhaus und Instrumentalstunden. Bis sich Workshop-Leiter Olaf Pyras unserer Runde vorstellt und sinngemäß erläutert, dass wir auf Klangreise gehen werden. Akustisch. Außergewöhnlich. Klingt super. Auf geht’s.

Ich entdecke an Tag 2 das auditive Potenzial sämtlicher Alltagsgegenstände, die das Museum Wiesbaden in seinen beeindruckenden Ateliers bereithält und stelle fest, dass ein gewisses Rhythmusgefühl von Vorteil sein kann. Mein Lieblingsgegenstand kommt allerdings von Olaf selbst: Ein Paar DropSticks (von Rohema), die er allen Teilnehmer:innen schenkt. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals vorher so sehr über lackiertes Hickory hätte freuen können wie in dieser Verbindung aus tiefer Sympathie und Bewunderung für den Klangkünstler (Danke, Olaf!) überreicht an einem Ort, der mich auch ohne additive Elemente innehalten lässt (Danke, Astrid Lembcke-Thiel, Kuratorin für Bildung und Vermittlung im Hessischen Landesmuseum für Kunst und Natur).

Zur Klangkunst gesellt sich an Tag 3 die Theater-Gruppe unter Leitung von Thomas Hof, seines Zeichens Schauspieler und Theaterpädagoge. In diesem Joint Venture wird klar, dass – und wie gut – künstlerische Sparten kooperieren können – aus zwei Gruppen wird eine, der Judd-Raum ihre Bühne. Da unsere Proben und die Präsentation am finalen Tag 4 während der regulären Öffnungszeiten stattfinden, schaut auch immer mal wieder ein „normaler“ Museumsbesucher vorbei.

Holz-Kuben im Judd-Raum, Museum Wiesbaden
Holz-Kuben im Judd-Raum, Museum Wiesbaden

Bei der Reflexionsrunde am Ende des Moduls 2 wird mir klar, wie komplex künstlerische Kooperationen sind (und wohl auch sein müssen), beispielsweise weil zeitliche Rahmungen im kreativen Prozess eine Herausforderung darstellen, Ideen einen Konsens finden wollen, wenn (irgendwann) Ergebnisse – so offen sie im Ansatz auch sein mögen – präsentiert werden möchten. Dies nun auf meinen schulischen Alltag und seine Taktung in 45- oder 90-Minuten-Einheiten zu übertragen, ist bzw. bleibt (m)eine Entwicklungsaufgabe.      

Links: www.museum-wiesbaden.de und https://www.olafpyras.de/

Text & Bilder: Anita Zender

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