„Für uns soll’s rote Rosen regnen!“

Ein Inklusionschor für Menschen mit kognitiven Einschränkungen

April 2024

Die Rolf & Hella Becker Stiftung unterstützt mit einer jährlichen Zuwendung das Demenzzentrum (DZ) in Trier. Der Schwerpunkt der Arbeit des DZ als Fachzentrum rund um das Thema Demenz ist Beratungsarbeit von Beeinträchtigten und deren soziales Umfeld.

Neben seinen Beratungsangeboten hält das Demenzzentrum darüber hinaus verschieden Betreuungsangebote für kognitiv beeinträchtigte Menschen vor. Ein solches Betreuungsangebot ist der Chor des Demenzzentrums „Für uns soll’s rote Rosen regnen!“.

Im Vordergrund der Beratungsarbeit steht u. a.:

  • die Abnahme von Gedächtnisleistungen zu verhindern oder möglichst lange heraus zu zögern,
  • die alltagspraktische Fähigkeiten zu erhalten,
  • depressive Symptome zu minimieren
  • herausfordernde Verhaltensweisen, z.B. Aggressivität, zu reduzieren und
  • das Sozialverhalten zu verbessern (Stichwort: Vereinsamung der Betroffenen und der pflegenden Angehörigen).

Die Erkrankung als solches kann besser bewältigt werden durch:

  • die Stärkung der Selbstbestimmung und der Selbstsicherheit,
  • eine Verringerung des Gefühls von Hilflosigkeit,
  • die Aufrechterhaltung des psychischen Wohlbefindens,
  • das Arbeiten an der Fähigkeit, noch vorhandene. Ressourcen optimal nutzen zu können,
  • eine Vermittlung des Gefühls von Person-sein

Hier ist die Arbeit mit Musik ein fundamentaler Baustein!

Unter dem Einfluss von Musik werden verschiedene und komplexe neuronale Netzwerke aktiviert, z.B.:

  • Kortikale Areale: Speicherung von Gedächtnisinhalten an den verschiedensten Stellen
  • Hippocampus (Seepferdchen): Überführung von Gedächtnisinhalten vom Kurzzeit- ins Langzeitgedächtnis
  • Amygdala (Mandelkern): Zuständig für die emotionale Bewertung und Wiedererkennung von Situationen, aber auch, um mögliche Gefahrenquellen überhaupt erst erkennen und analysieren zu können.

Unter der Wirkung von Musik werden Neurotransmitter als biochemische Mediatoren und Hormone aktiv, z.B.:

  • Acetylcholin: Verantwortlich für Aufmerksamkeitsgrad
  • Endocannabinoide: Beeinflussen Lern- und Bewegungsprozesse
  • Endorphine: Vom Körper selbst produziertes Opioid (Euphorie)
  • Dopamin: Antriebssteigerung, Motivation (Glückshormon)
  • Melatonin: Herstellung eines Tag-Nacht-Rhythmus
  • Adrenalin: Bereitstellung von Energiereserven (Stresshormon)

Man hat in Studien bei Menschen mit dementiellen Veränderungen unmittelbar nach einer musikalischen Aktivität oder dem reinen Musikhören positive neuronale Effekte in den Bereichen Orientierung, Merkfähigkeit, Erinnerungsvermögen und im verbalem Ausdrucksvermögen festgestellt: Diese positiven Effekte sind in der Chorgruppe des Demenzzentrums erlebbar.

Stimulierenden Wirkungen von Musik bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen

1. Musik bedeutet autobiographische Erinnerung und somit Erleben als Person:

Im Laufe seines Lebens wird jeder Mensch auch individuell von Musik geprägt. Musik ist dabei meist gekoppelt an persönliche Erfahrungen und Geschehnisse, die sowohl positiver als auch negativer Natur sein können. So kann es mit Musik gelingen, ein Fenster bei Menschen bis weit in die Vergangenheit hinein zu öffnen. Wir alle haben eine Lebensgeschichte, die durch Singen und Musik geprägt ist. Wenn man z.B. das Lied Schneeflöckchen Weißröckchen hört, dann denkt man wahrscheinlich an Weihnachten, an tolle Schlittenfahrten, an den Geruch von Spitzgebäck, an Gemütlichkeit und Wohlbehagen. Oder vielleicht auch an Stress und Streit. Lieder lösen in uns Trauer aus, oder Freude, Wehmut oder Liebesgefühle. Musik begleitet uns von der Taufe bis zur Beerdigung, über Familienfeste, Geburtstage und Hochzeiten. Musik ist ein Teil unserer Biographie und gibt demenzkranken Menschen so immer auch einen Teil ihrer bereits verloren geglaubten Persönlichkeit zurück.

2. Musik bedeutet, miteinander zu agieren und kulturell verständigen:

Musik-machend mit anderen können Menschen sich in einer sozialen Interaktion erleben und durchaus als agierend, kompetent und tonangebend, so wie sie sich als demenzerkrankte Menschen eben oft nicht mehr erleben können.
Musik kann helfen, Sprachlosigkeit zu überwinden und wieder miteinander in einen Kontakt zu treten, den das Gegenüber zu verstehen imstande ist.
Und auch ein anderer Punkt ist beim Musikmachen in unseren Betreuungsgruppen von Bedeutung: Man muss nicht perfekt sein, vielmehr sind andere da, die einen auffangen. Bedeutsam ist das Dabeisein.

3. Musik bedeutet auch Bewegung:

Man wippt mit den Füßen, schunkel, tanzt oder klatscht in die Hände. Der Kreislauf kommt in Schwung, das Blut reichert sich mit Sauerstoff an, das Gehirn wird besser durchblutet und die Musik wirkt so auch kognitiv gesundheits¬fördernd. Da die Wahrnehmung akustischer Reize auf basalen Stufen der Informati¬onsverarbeitung erfolgt, benötigt das Gehirn nur wenige Fähigkeiten zur Verarbeitung. Und diese haben auch noch Menschen mit einer weit fortgeschrittenen Demenz.

Mit Musik wird also das gesamte Gehirn auf sozialer, emotionaler, motorischer und kognitiver Ebene aktiviert. Wir machen sozusagen mit dem ganzen Körper Musik.

Fazit

Im Projekt des Demenzzentrums „Für uns soll’s rote Rosen regnen“ treffen sich ein Mal in der Woche Menschen mit kognitiven Einschränkungen und Personen, die einfach Lust haben zu singen und zu musizieren ,.Sogar aus Prüm kommt jede Woche ein Ehepaar. „Es ist so wunderbar, meinen Mann zu erleben, wie er wieder spricht!“, meint die Ehefrau. Mit tatkräftiger Unterstützung von 4 Musikerinnen und Musikern und unter Leitung einer Musikgeragogin werden Lieder der 50er und 60er Jahre gesungen.

In der Unterstützung dieser Arbeit des DZ sieht die Rolf & Hella Becker-Stiftung einen Weg um u.a. durch Demenz beeinträchtigte Menschen aus der Vereinsamung zu lösen und die Möglichkeit zu eröffnen, sich in einer Gruppe je spezifisch entfalten zu können.

Die Förderung ermöglicht auch kleinere Konzerte. So trat der Chor 2023 bei einer Tagung des Netzwerkes Demenz Bernkastel-Wittlich auf. In 2024 ist ein Auftritt auf dem Sommerfest des Demenzzentrums vorgesehen.

Auch die Kooperation mit einer weiterführenden Schule in Trier mit einem abschließenden Konzert steht für 2024 auf dem Programm.

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