Höhe x Breite x Tiefe oder: Was ist Raum für dich unter künstlerisch-ästhetischen Gesichtspunkten?

Im Gegensatz zu den bisherigen Modulen hatte es die Vorbereitung auf 1C „Ästhetische Erfahrung und Kulturelle Bildung“ echt in sich. Die in Modul 1A gegründeten PLG (= Pro-fessionelle Lern-Gruppen) hatten nämlich die Aufgabe, jeweils drei Zeitstunden zu ihrem jeweiligen Themenschwerpunkt zu gestalten. Gar nicht so leicht.

Hierbei sollte es einerseits um Wissensvermittlung zum Thema und Einblicke in den Forschungs-stand gehen, aber auch darum, ästhetische und erfahrungsbasierte Zugänge für die Teilneh-mer:innen herzustellen – natürlich unter Einbezug und Aktivierung der selbigen, zudem Beispiele aus dem Feld vorzustellen sowie die Relevanz im Feld der Kulturellen Bildung aufzuzeigen.

Puh – Mammut-Aufgabe und das zum Riesenthema „Raum“, was für mich – bis dato – gar kein Riesenthema war. Durch Theater und Darstellendes Spiel geprägt, denke ich Raum (oder Räume) als Bühne, mal klar getrennt vom Zuschauerraum, mal umgeben von diesem.

In der Kooperation mit meiner Gruppe erweitert sich mein Raumbegriff von Zoom-Session zu Zoom-Session — akustisch, farblich, literarisch und virtuell mit Hilfe von Augmented Reality.
Unser Konzept am Ende ist vielfältig, ambitioniert und kreativ – gerne würde ich bei den Work-shops meiner Mitstudierenden mitwirken. Geht aber nicht.

Zunächst referieren wir aber über den spatial turn und Sozialräume, ästhetische Forschung sowie künstlerische Projekte im Quartier zwischen Best und Bad Practice. Dann geht’s per Zufallsprin-zip in unsere Workshops – bei mir und meinem Kommilitonen KP sollen die Teilnehmer:innen im Szenischen Farbraum Hybrid zunächst eine sogenannte Tiny Tale auswählen, eine Kürzestge-schichte im Twitter-Format, die in den 2000er Jahren von Florian Meimberg etabliert wurde. Die verwendete Auswahl stammt von Schüler:innen des Landauer Max-Slevogt-Gymnasiums.

Unsere drei Workshop-Teilnehmer:innen vermischen kurzerhand mehrere 140-Zeichen-Geschichten zu einer und gestalten hierzu mit Stiften, Krepppapier, farbigen A4-Blättern, Folien und Karton ein Bühnenbild. So viel zu szenisch. Nach 15 Minuten soll diese Arbeitsphase eigent-lich unterbrochen werden, um in dem dann mittels einer Speziallampe monochromatischen Far-braum per Zappar-App und Augmented Reality verschiedene zu suchen und in einen Sinnzu-sammenhang zu stellen.

Gestaltetes Bühnenbild(er) im Schuhkarton inspiriert von Tiny Tales
Gestaltetes Bühnenbild(er) im Schuhkarton inspiriert von Tiny Tales

Leider reagieren die abgeklebten Bewegungsmelder trotzdem und lassen das Deckenlicht ein-fach nicht ausgehen. Wir warten ab, lassen unsere Bühnenbildner:innen zunächst den analogen Raum im Schuhkartonformat zu Ende gestalten. Hiernach wechseln wir dann in normalem Licht zur Wortentdeckung, die unglaublichen Spaß macht. Gebannt schauen alle auf ihre digitalen End-geräte und scannen den Raum ab, auf der Suche nach „Höhe“, „Breite“, „Tiefe“ und Satzzeichen.

Im Rahmen einer Werkschau besuchen wir dann zunächst die anderen Workshop-Räume. Wir kommen über den Schaffensprozess und die sichtbaren Handlungsprodukten ins Gespräch. Wir lauschen den mit der App GarageBand produzierten hörbaren Handlungsprodukten – Audioauf-nahmen aus den Sanitärräumen.

Und schlussendlich begeben wir uns wieder in den Szenischen Farbraum Hybrid, der zwischen-zeitlich tatsächlich monochromatisch geworden ist. Alles ist gelb. Die Farben sind verschwunden. Klar: Was dunkel war bleibt dunkel. Und Helles bleibt hell. Aber das Farbspektrum dazwischen? Das vormals bunte Bühnenbild wirkt noch abstrakter als ohnehin. Die Gestalt gebenden Ele-mente des Bühnenraums sind auf ihre Form reduziert. Auch die Augmented Reality-Wortsuche wird angesichts der veränderten optischen Bedingungen (noch) abenteuerlich(er).

Ausschnitt aus dem Bühnenbild im Schuhkarton im monochromatischen Farbraum
Ausschnitt aus dem Bühnenbild im Schuhkarton im monochromatischen Farbraum

Was ich mitnehme? Jeder Raum (auch in Schule!) ist weit mehr als Höhe mal Breite mal Tiefe – ein Konstrukt der Sinne, von Menschen gemacht, funktional, emotional, konkret wie abstrakt – und stets veränderbar, also gestaltungsfähig und -würdig.

Mit Folie abgeklebte Tür in der RGS in Marburg
Mit Folie abgeklebte Tür in der RGS in Marburg

Text & Bilder: Anita Zender

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